Die Einführung und Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht im Laufe des 18. Jahrhunderts bildete für den Unterricht im Schreiben eine neue Herausforderung. Das Schreibenlernen gehörte davor zu den Angeboten der Schulen und Schreibmeister. Auf dem Aushängeschild eines Baseler Winkelschulmeisters von 1516 heißt es: „Wer jemandt hie Der gern welt lernen deutsch schreiben und läsen....“ Die Kirchenordnungen der Reformationszeit sehen in der Regel Deutsche Knaben- und Mädchenschulen vor, in denen die Kinder “...auff das aller trewlichste sollen schreiben und lesen gelernet werden.“[1] Doch der praktische Schreibunterricht stützte sich nicht auf allgemein anerkannte und erprobte Methoden, jeder Magister, jeder Winkelschulmeister verfuhr nach seinen eigenen Prinzipien, die in historischen Studien als „mechanisch“ gekennzeichnet werden.“[2] „Das Schreibenlernen war ein gedankenloses Nachmalen der Buchstaben von a bis z, ohne alle Methode und Disziplin. Man unterrichtete nach der alten mechanischen Methode, die sich sogar bis zum heutigen Datum fortgeschleppt hat und noch immer hier und dort in manchen Schulen zu finden ist.[3] Es gab im 16. Jahrhundert durchaus gedruckte Anleitungen zu einem methodisch durchdachten Schreibunterricht. In Ortholph Fuchßpergers „Leeßkonst“ von 1542 findet sich ein Kapitel „Vom Schreyben und Buchstabischen zugen“ in dem die Übung der Buchstaben nicht in der Reihenfolge des Alphabets, sondern nach dem Prinzip vom Einfachen zum Schwierigen und nach gemeinsamen Formelementen erfolgen soll; außerdem schlägt er vorbereitende Formübungen vor.
Auch die Schriften des Nürnbergers Johann Neudorffer und des Schreib- und Rechenmeisters Wolfgang Fugger in der Mitte des 16. Jahrhunderts geben Anleitungen zu einem sinnvollen Schreibunterricht.[4] Eine nachhaltige Breitenwirkung erreichten diese Vorschläge nicht und waren nach dem dreißigjährigen Krieg in großen Teilen des Landes vergessen.
Viele Schreibmeister, die ihr Haupteinkommen durch das Schreiben von Auftragsarbeiten und das Gestalten von Urkunden erwarben, verstanden sich als Kalligraphen; in ihrem nebenbei betriebenen Unterricht kam es ihnen mehr auf die Erfindung von Initialen, auf Zierrat und Schnörkel an als auf die Entwicklung einer flüssigen Handschrift. Mit 5 Schriftarten – deutsche Kurrentschrift, deutsche Kanzleischrift, lateinische Kurrent, deutsche Fraktur und Antiqua – hatten sie umzugehen und pflegten den Anspruch, möglichst viel davon zu vermitteln.
Schreibmeisteralphabeth von J.Chr.L. Hochen, Dresden 1790, Kupferstich
Als Hilfsmittel standen ihnen Kupferstichvorlagen zur Verfügung, die vom 16. Jahrhundert an in Schreibmusterbüchern verbreitet wurden.
Eine neue Ausgangslage für den Schreibunterricht entstand mit der Einführung der Schulpflicht im Laufe des 18. Jahrhunderts. Die mit den von den Landesherren erlassenen Schulordnungen verbundenen Lehrpläne räumten dem Schreibenlernen neben Lesen und religiöser Erziehung einen hohen Stellenwert ein. Zwar setzt der Schreibunterricht in den meisten Herrschaftsgebieten erst ab dem 3. Schuljahr ein, wird aber bis zum Ende der Schulzeit als eigenes Fach weitergeführt. In der Schulordnung des Fürstbischofs Adam Friedrich von Würzburg aus dem Jahre 1774 heißt es: „Im dritten Schul-Jahre, nämlich vom 8ten bis zum 9ten ihres Alters, werden die Kinder in den vorigen Lehrstücken weiter gebracht, und fangen dabey an zu schreiben.“ Der neue Pflichtunterricht brachte Probleme mit sich, die besonders das Schreiben betrafen: Die Schülerzahlen in einer Klasse konnten sehr groß sein bei unzureichender Ausstattung mit Tischen – sogenannte Subsellien, Einheiten aus schräger Schreibplatte und Sitzbank kamen erst ab 1800 in die Schulen; vom Unterricht war nun auch eine große Zahl armer Kinder betroffen, die das nötige Material kaum beschaffen konnten; außerdem hatte der größte Teil der Lehrer auf dem Land noch keine Seminarausbildung und konnte manchmal selbst nur notdürftig schreiben. Um zu einer einigermaßen genormten Schrift zu kommen, Unzulänglichkeiten der Lehrer im Schreiben auszugleichen und individuellem Wildwuchs entgegen zu wirken, sahen es die Landesherren als notwendig an, eine amtliche Schriftvorlage einzuführen: "Um in der Schreibkunst den Anfang zu machen, mus ein jedes Kind unsere erste sogenannte Current-Vorschrift haben“, lesen wir in der Würzburger Schulordnung von 1774. Auch Bayern dringt auf Vereinheitlichung der Schreibgrundlagen und verordnet für den Schreibunterricht ein „Churbaierisches neueingerichtetes ABC, oder Buchstabentabelle“.
Kurfürst Maximilian Joseph dazu: „.....so befehlen Wir auch hiermit allen Ernstes, der systematischen, und durchgängig in Unsern Churlanden gleichförmigen Lehrart halber, dass gegenwärtiges von Fehlern gereinigtes ABC, oder Buchstabentabelle, nebst der Erklärung in allen deutschen Schulen Unserer Churlanden eingeführt, und keine andere Buchstabentabelle weder von den Schullehrern mehr gebraucht, noch von allen Schulobrigkeiten mehr geduldet werde.“ Die 14 Seiten der Broschüre mit Buchstaben, Silben und didaktischen Hinweisen sollten sowohl dem Lesen als auch dem Schreibunterricht als Grundlage dienen.
Aufschlussreich für die Praxis des damaligen Unterrichts ist die sächsische Schulordnung von 1773.[5] § 10 beschäftigt sich ausführlich mit dem Schreibunterricht: "...sollen die Kinder also unterrichtet werden, dass sie erst den Unterschied gedruckter, und geschriebener Buchstaben erlernen. In solcher Absicht, sind ihnen letztere, an der Tafel, und zwar zuvörderst die gleichstehenden, und wenn sie diese kennen, auch die, welche über, oder unter der Linie auf- oder unterwärts, oder auf beyderley Weise, und also ungleich mit jenen, obwohl in einer geraden Linie, oder auf einander folgenden Reihe, stehen, bekannt zu machen. Sodenn ist, mit Bleystifte, jeder kleiner Buchstabe besonders, in einem Büchlein von weißem Papiere, nach der Ordnung, wie einer aus dem andern, und alle aus dem i. und c. entstehen, vorzuschreiben, und, von den Kindern, die dabey zusehen, mit Dinte, zu überziehen. Wobei ihnen anfangs die Hand zu führen und zu zeigen ist, wie Sie die Feder geschickt und fest zu halten, auch zu verhüten haben, dass sie sich nicht so sehr bücken, und auf das Papier legen, dadurch sie leicht blöd- und übersichtig werden können, auch weder die Hände, noch das Schreibebuch, mit Dinte beflecken, noch sonst etwas unanständiges oder schädliches sich dabei angewöhnen sollen. Haben Sie, eine Zeit lang, über die mit Bleystifte vorgeschriebenen kleinen Buchstaben hergemahlet; so sind eben diese ihnen nochmals mit Dinte vorzuschreiben, und von ihnen, aus freyer Hand, nachzumachen. Worauf auch Sylben und ganze Wörter, iedoch nur mit kleinen Buchstaben, vor- und nachgeschrieben werden. Alsdenn sind ihnen auch die großen Buchstaben , sammt beyderley Zahlen, wiederum anfangs einzeln, nachhero in ganzen Wörtern, auf gleiche Weise, vorzuschreiben, und von ihnen anfangs zu übermahlen, und, wenn sie darinne, einige Zeit, geübet worden, auch aus freyer Hand, nachzuschreiben, und, von dem Lehrer, zu verbessern. Damit das Kind die Gleichheit, mit den Zeilen, halten lerne, sind, mit Bleystifte, Linien oder Puncte zu machen, bis das Kind, ohne selbige, gerade fortschreiben lernet. Sobald selbiges die Buchstaben, Sylben und Worte, nach vorgängiger Verbesserung, ordentlich und fein nachschreiben kann, sind ihm ganze Zeilen vorzuschreiben, und, wenn es auch, in deren Nachschreibung, geübet und unterwiesen worden, von dem Lehrer mit Fleiß gefertigte Vorschriften vorzulegen. Es ist gut, wenn jedes Kind seine eigene, und, dem Innhalte nach, von andern unterschiedene Vorschrift hat, und solche nicht länger, als ein paar Wochen, behält, weil sonst die Kinder, wenn sie das Vorgeschriebene auswendig können, nicht mehr auf die Züge der Buchstaben Achtung geben, sondern die Worte, aus dem Gedächtnisse, und nicht aus der Vorschrift, schreiben möchten.
§ 11.) Die Vorschriften können, aus biblischen Sprüchen, kurzen Briefen, Obligationen, Quittungen, Tabellen, Rechnungen und dergleichen zu wirthschaftlichen Fällen und Regeln brauchbaren Stücken mehr, bestehen, und wechselsweise, unter die Kinder, welche schreiben lernen, und solche dem Lehrer deutlich vorlesen müssen, vertheilet werden, damit sie zugleich die vorgeschriebenen Sprüche auswendig, desgleichen ähnliche Briefe, Quittungen, Tabellen und dergleichen nachahmen lernen."[6]
Nicht nur die bis in methodische Details gehenden Ausführungen sind hier bemerkenswert, sondern auch die Tatsache, dass die Schiefertafel als Schreibgerät noch nicht genannt wird, was belegt, dass ihre Verbreitung erst am Ende des 18. Jahrhunderts begann. Die Schreibübungen sollen zugleich als Übungen für den späteren Schriftverkehr dienen, indem Schriftstücke des alltäglichen Lebens zu Vorlagen benutzt werden. Wie sich die Vorgabe, dass die Schüler vom Lehrer mit Bleistift geschriebene Buchstaben oder Wörter mit Tinte überschreiben sollen, in großen Klassen umsetzen ließ, bleibt rätselhaft. Der Hinweis auf Zeilenlinien mit Bleistift findet sich auch in der Würzburger Schulordnung: „Sie sollen so lang auf Bley-Linien schreiben, bis sie gewohnet sind, gleich und gerad zu schreiben.“ [7] Das hat seinen Grund darin, dass liniertes Papier erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zu kaufen war, sowie auch konfektionierte Schulhefte erst in dieser Zeit auf den Markt kamen.[8] Der Unterrichtsanteil der Schreibstunden war vergleichsweise hoch; meist wurde im Vormittags- und im Nachmittagsunterricht eine Schreibphase festgelegt.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts tritt eine Veränderung ein; Schreiben wird einerseits stärker als Bestandteil des Deutschunterrichts gesehen, andererseits wird das Schönschreiben, in der Regel mit zwei Stunden in der Woche, besonders akzentuiert, um den „...Sinn für das Reinliche, Gefällige und Schöne zu wecken. Man wähle daher einfache und geschmackvolle Schriftzüge."[9] Auch dazu werden als mögliche Vorlagen „Quittungen, Briefe und andere Geschäftaufsätze“ empfohlen. Eine Übersicht des für den Schreibunterricht um 1800 verwendeten Materials stellt sich folgendermaßen dar: Als Schreibgeräte sind Bleistift und Gänsefeder in Gebrauch, als Beschreibstoff dient blankes oder mit Bleistift liniertes Papier, das zu einem „Schreibbuch“ gebunden sein kann. Eine große Buchstabentafel in Fraktur- und Kurrentschrift war wohl in den meisten Schulen vorhanden,
Federlithographie 1834
dazu im Kleinformat die gedruckte amtliche „Vorschrift“ bzw. Buchstabentabelle, die sich auch in der zugelassenen Fibel befinden konnte. Schreibvorlagen in Gestalt von Schriftstücken des täglichen Lebens besorgte der Lehrer oder er schrieb selbst Muster auf Papierblättern oder der Wandtafel vor. Die Schiefertafel begann sich zu verbreiten; was die Schreiberziehung betrifft, war sie unter Pädagogen nicht unumstritten. Man fürchtete, dass sich die Kinder „durch dieses Tafelschreiben eine harte und ungefällige Hand aneignen“, auch sei die Unterscheidung von dünnem Haarstrich und kräftigem Grundstrich bei der deutschen Schrift mit dem harten Schiefergriffel für Schreibanfänger kaum zu leisten.[10] Für die Mehrzahl der Schreibdidaktiker überwogen jedoch die Vorteile, sie lassen den Schreiblehrgang mit der Schiefertafel beginnen. Ein anderes Problem war die Linierung der Schiefertafel; aus den häufigen Hinweisen und Vorschlägen in didaktischen Werken lässt sich schließen, dass die Tafeln meist ohne Lineatur auf den Markt kamen. Es werden nicht nur Zahl und Abstände der Linien erörtert, sondern auch die Technik ihres Auftrages.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde dafür ein Linienzieher erfunden.
Horizontale Linien auf der Tafel oder mit Bleistift auf Papier wurden lediglich als Hilfen in den ersten Jahren des Schreibunterrichts akzeptiert, um ein Schreiben in gleichmäßigen geraden Zeilen vorzubereiten.
Bleistiftlinien in einem Schreibheft von 1801
Die Impulse, die die Schulpädagogik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhielt – erinnert sei an Pestalozzi und die Philanthropen – strahlten auch aus auf den Unterricht im Schreiben; in den folgenden Jahrzehnten erschienen zahlreiche Bücher zur Didaktik und Methodik des Schreibens, in denen häufig auch spezielle Hilfsmittel angeboten wurden. Manche greifen die schon früher
praktizierte „Überzieh-Methode“ auf, bei der vorgegebene Buchstaben oder Schriftzüge nachgefahren oder nachgeschrieben werden. Später sind die Buchstaben beispielsweise in blassem Grau oder rot gepunktet auf Übungsbogen vorgedruckt, die erst mit der trockenen Feder nachzufahren, dann mit Tinte zu überschreiben sind.
Eine etwas absonderlich erscheinende Form der „Überzieh-Methode“ wird in Nr. 82 der Allgemeinen Schulzeitung von 1839 mitgeteilt: „Nach dieser Methode werden die darzustellenden Schriftzüge zuvor in Metallplatten eingegraben, und die Aufgabe des Schülers besteht nun darin, dieselben mit einer Stahlfeder so lange nachzuziehen...bis er imstande ist, dieselben Buchstaben ebenso auf Papier zu schreiben.“[11] Ein anderer Autor schlägt gravierte, durchscheinende Hornplatten vor, weil eine solche beim Auflegen auf das Geschriebene durch das transparente Material sofort Abweichungen erkennen lasse. Beide Ideen scheinen wenig Verbreitung gefunden zu haben. Die meisten Schreibmethodiker lehnten solche Verfahren als mechanisch und geisttötend ab.
Die Kurrentschrift hatte im deutschen Sprachraum keinen einheitlichen Duktus, was sich u. a. auch im Grad der Rechtsneigung zeigte. Die Gründe liegen nicht nur in regionalen Konventionen, sondern können durchaus als Ausdruck der Kulturhoheit der Länder angesehen werden, denn die von der Regierung vorgegebenen Schreibmuster bestimmten auch den tolerierbaren Neigungswinkel.
In Preußen fand die von dem Krefelder Kalligraphen Johann Heinrigs 1809 entwickelte Schriftform viel Zustimmung und seine Schulvorschriften gewannen weite Verbreitung. Der Neigungswinkel seiner Buchstaben liegt bei 45°. Der Schreibdidaktiker G. F. Ruf schlägt in seiner „Anweisung zum methodischen Schreibunterricht" 1805 vor, die Neigung an der Diagonale eines Rechtecks mit der Seitenlänge 2:1 zu orientieren.[12] (s. Abb. S. 8)
In Bayern wird 1852 durch allerhöchste Verordnung festgelegt, dass die Neigung der Schulschrift nicht geringer als 75° betragen dürfe.[13] Auch wenn der Neigungswinkel in den deutschen Ländern unterschiedlich sein konnte, achtete man darauf, dass die Schüler den amtlich vorgegebenen einhielten. Auch dazu ersann man Hilfsmittel: Parallele schräge dünne Hilfslinien auf der Tafel oder dem Papier sollten als Orientierung dienen. Der sächsische Pädagoge C. Chr. G. Zerrenner gibt den Lehrern folgenden Hinweis: „ Um die Richtung der Neigungslinie ein für allemal zu bestimmen zeichne er sie sich... auf das Ende eines Lineals und schneide dasselbe darnach ab...“[14] Nach diesem Muster soll er in die Schreibseite der Schiefertafeln mit einem Nagel im Abstand von 1 Zoll parallele Linien einritzen. An anderer Stelle beschreibt er eine Vorrichtung, mit der man die schrägen Hilfslinien mit Bleistift oder roter Tinte in das Schreibheft einzeichnen kann.[15]
Als später konfektionierte Schulhefte auf den Markt kamen, konnte man für die Anfangsphase des Schreibens solche mit in blasser Farbe gedruckten schrägen Hilfslinien, auch Richtungslinien genannt, kaufen.
Schreibheft von 1874
Für die Richtungslinien galt die gleiche Regel wie für die Grund- oder Zeilenlinie: Sie sind befristete Hilfen, auf die nach und nach verzichtet werden soll. Der Verfasser einer Schreiblehre J. G. H. Müller schlägt für den Übergang die Verwendung eines selbst angefertigten Linienblattes vor, das unter das Schreibpapier gelegt wird.[16] Schon im 18. Jahrhundert dachte man darüber nach, welche Textvorlagen man den Schülern für Schreibübungen anbieten soll, wenn sie die Grundlagen des Schreibens erworben hatten. Man verwies erst auf die vorhandenen Bücher Katechismus und Fibel oder Lesebuch, aus denen die gedruckten Texte in Kurrentschrift auf die Wandtafel oder auf Papier übertragen werden sollten. Es kamen bald auch eigene Vorschriftenbücher auf den Markt und didaktische Werke zur Schreiberziehung enthielten im Anhang Textvorschläge. Diese bezogen sich auf Inhalte aller Unterrichtsfächer und auf Schriftstücke des Alltags. Das Heft mit den Schreibübungen der Oberstufe sollte "ein nützliches Erinnerungsbuch" bleiben, auf das man nach Bedarf zurückgreifen konnte, um Formulierungshilfe zu finden. Die Lithographie bot nach 1800 neue drucktechnische Möglichkeiten, die auch dem Schreibunterricht dienen konnten. Die Schreibvorlagen wurden nun billiger, wodurch sich der Variantenreichtum vergrößerte, zur Buchform kamen Mappen mit Einzelblättern
und Sammlungen mit Textstreifen aus wenigen Zeilen. Durch diese konnte eine größere Zahl von Schülern mit einer Vorschrift ausgestattet werden, die nach Bearbeitung weitergegeben wurde.
Die Adressen der kleinen Vorlagen rechts oben sollen in Originalgröße übertragen werden.
Mit der Konfektionierung der Schulhefte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts differenzierte sich auch das Angebot; auf dem Markt erschienen Hefte in deutscher und lateinischer Handschrift und mit unterschiedlichen Anforderungen. Das Schriftmuster bot entweder das erste Wort einer Zeile, die erste Zeile einer Seite, oder die linke Seite zeigte einen Text, der auf die rechte kopiert werden sollte, wobei diese Texte, wie in den Handschriftenlesebüchern, als Muster für die private oder geschäftliche Korrespondenz dienen sollten.
Grundsätzlich hielt sich die didaktische Konzeption des Schreibunterrichts mit ihren Hilfsmitteln bis ins 20. Jahrhundert. Nach dem 1. Weltkrieg verlor das Gebiet im Unterricht an Bedeutung. Schönschreiben wurde auf die Grundschule beschränkt, für die Volksschuloberstufe war nur im Bedarfsfall besonderer Schreibunterricht vorgesehen. Auch die Prinzipien der Schriftform
lockerten sich, man löste sich von einer verbindlichen Schräglage, akzeptierte auch die sogenannte Steilschrift und gab der Entwicklung einer persönlichen Handschrift mehr Raum.
[1] Göttinger Kirchenordnung von 1530 pag. VIII r
[2] Geschichte der Methodik des deutschen Volksschulunterrichts, hrsg. V. C. Kehr, 4. Bd. Die Methodik des Schreibunterrichts in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Von C. Hey, S. 22
[3] H. R. Dietlein, Wegweiser für den Schreibunterricht. Leipzig 2. Aufl. 1876, S. 47
[4] Johannes Müller, Quellenschriften und Geschichte des deutschsprachlichen Unterrichts bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 1882, Anhang S. 181, 351 ff.
[5] Erneuerte Schulordnung für die deutschen Stadt- und Dorfschulen der Chur-Sächsischen Lande, Dresden 1773
[6] Sächsische Schulordnung, S. 45 - 50
[7] Würzburger Schulordnung, S. 26
[8] Vgl. dazu Horst Schiffler, Schulhefte als historische Quellen, 2008, www.schulmuseum-ottweiler.net
[9] Verordnung über das Volksschulwesen im Großherzogthum Baden nebst Schulordnung und Lehrplan, Karlsruhe 1834, S. 35
[10] Kehr, Geschichte der Methodik, a .a. O. S. 136 - 138
[11] Kehr, Geschichte..., a. a. O. S. 89
[12] G. F. Ruf, Anweisung zum methodischen Schreibunterricht, Karlsruhe 1805, S. 21
[13] Kehr, Geschichte..., a. a. O. S. 91
[14] C. Chr. G. Zerrenner, Methodenbuch für Volksschullehrer, Magdeburg 3. Aufl. 1820, S. 193
[15] C. Chr. G. Zerrenner, a. a. O. S. 194
[16] Joh. Georg Heinrich Müller, Anleitung zum Schönschreiben, Nürnberg und Altdorf 2. Ausgabe 1799, S. 17
[17] Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Baden, Verlag der P. Wagner`schen Lithographie, Karlsruhe 1831
[19] Harnischs Handbuch für das Deutsche Volksschulwesen, hrsg. von F. Bartels, Langensalza 1893, S. 271
[20] Zu diesen gehört u.a. die Deutsche Fibel, bearb. v. Heinrich Fechner, Berlin, 4. Aufl. 1877 und die Fibel von G. Schlimbach, Gotha (Thienemann) 1866