Schulhefte als Historische Quellen

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Schulhefte als Historische Quellen am Beispiel der Sammlung von Schulheften im Saarländischen Schulmuseum

von Prof. Horst Schiffler

Anmerkung:
Der Beitrag erschien in englischer Sprache in: J. Meda, D. Montino, R. Sani (Hrsg.): School Exercise Books. A Complexe Source for a History of the Approach to Schooling and Education in the 19th and 20th Centuries, Editioni Polistampa, University of Macerata, 2010. 

Abstract
Der Gebrauch von Schulheften hat sich an den deutschen Volksschulen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts in grösserem Umfang entwickelt, während an den höheren Schulen schon früher Papier und Hefte üblich waren. Das zeigt sich auch an den fast 500 Heften im Saarländischen Schulmuseum aus der Zeit von 1778 bis 1975. Eine Bestandsanalyse der Sammlung bis 1962 nach den Kriterien Urheber, Anzahl, Entstehungszeit und Schulfach vermittelt einen inhaltlichen Überblick. Ohne einer speziellen Untersuchung vorzugreifen, erweist eine Betrachtung der äusseren Form der Hefte und deren historische Veränderungen ihren spezifischen Quellenwert. Ebenso belegt die Durchsicht der von den Schülern gestalteten Inhalte an exemplarischen Beispielen, dass das Studium von Schulheften in verschiedenen Bereichen das auf der Grundlage anderer Quellen gewonnene Wissen vertiefen, differenzieren und erweitern kann. 

Schulgeschichtliche Grundlagen
Mit der Einführung der Schulpflicht in Deutschland im 18. Jahrhundert war verbunden, alle Schulkinder mit den nötigen Unterrichts- und Lernmitteln auszustatten. Berichte zeigen jedoch, wie Armut und geringes Bildungsinteresse mancher Eltern die Versorgung mit den notwendigen Gegenständen oft erschwerten. An den Volksschulen musste lange mit einfachem und billigem Unterrichtsmaterial gearbeitet werden. Deshalb war dort die Schiefertafel das wichtigste Schreibgerät. In Büchern zur Methodik des Schreibunterrichts wird vorgeschlagen, erst dann auf Papier zu schreiben, wenn genug auf der Schiefertafel geübt worden ist.

Einen Eindruck von der Realität des Schreibens in Dorfschulen im 18. und 19. Jahrhundert vermittelt eine Stelle in der Autobiographie des Lehrers Friedrich Polack, die sich auf die Zeit um 1840 bezieht: "Zum Schreiben in Schreibbüchern war kein Platz in der Schule. Nur immer einige Kinder malten die vom Lehrer ausgegebenen Schriftmuster nach. Viele hatten keine Hefte. Auch für meinen wohlhabenden Vater war es eine schwerere Sache ein Schreibebuch als einen Acker Land zu kaufen. In die alten beschmierten Buchdeckel heftete er immer aufs neue billiges gelbes Papier."

Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts normalisierte sich allmählich die Verwendung von Schulheften, wobei die Schiefertafel noch bis 1970 in manchen deutschen Grundschulen in Gebrauch war.

An den höheren Schulen stellt sich die Situation anders dar. Die Schüler dieser Schulen entstammten in der Regel reicheren Familien, und die materiellen Voraussetzungen für den Kauf von Büchern und Heften waren gegeben. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die ältesten Hefte der Sammlung des Museums unzweifelhaft der höheren Schule zuzuordnen sind. 

Die Schulhefte im Saarländischen Schulmuseum
Das Saarländische Schulmuseum verfügt aus der Zeit von 1778 bis 1965 derzeit über eine Sammlung von 459 Schulheften. Davon sind 154 Hefte eine Dauerleihgabe aus einer Privatsammlung. 34 Hefte sind Einzelhefte eines Schülers oder einer Schülerin, 120 Hefte aus der Zeit zwischen 1949 und 1960 entstammen der Schulbiografie eines einzigen Jungen, 70 Hefte gehörten einer Schülerin; ihrer Schwester sind 43 Hefte zuzuordnen. Eine Gruppe von 78 Heften von 1865 bis um 1910 kommen aus einer Familie. Die übrigen Schulhefte verteilen sich in Gruppen von zwei bis 23 Hefte auf 14 ursprüngliche Eigentümer.

Es sind alle Schulfächer repräsentiert, aber mit sehr unterschiedlichem Gewicht. Die meisten Hefte entfallen auf Deutsch und Mathematik, dann folgen die Fremdsprachen Griechisch, Latein, Französisch, Englisch; für Schönschreiben gibt es 41 Hefte. Die übrigen Hefte verteilen sich auf alle anderen Schulfächer. Eine besondere Gruppe bilden 9 Aufgabenhefte und 4 Aufgabenhefte für den Klavierunterricht.

Bis auf wenige Ausnahmen sind die Hefte vollständig, mit Vorder- und Rückendeckel und in gutem Zustand.

Name Number Period Subject (Number)
Anton B. 5 1911-1914 Aufsatz/Diktat (5)
Walter L. 23 1913-1917 Deutsch (6), Französisch (6), Mathematik (3) Geografie (4), Kunst (2), Aufgabenhefte (2)
Elfriede L. 43 1915-1920 Schönschreiben (3), Aufsatz (11), Französisch (4), Englisch (1), Mathematik (7), Geografie (3), Kunst (2), Religion (1), Aufgabenhefte (4), Sonstige (7)
Elisabeth L. 70 1917-1923 Schönschreiben (5), Aufsatz (18), Hausaufgaben (14), Französisch (2); Mathematik (14), Hauswirtschaft (14), Geografie (1), Kunst (2)
Ruth S. 7 1932-1936 Aufsatz/Diktat (7)
Lotte W. 6 1937-1948 Schönschreiben (1), Sachkunde (1), Hauswirtschaft (4)
Gernot S. 120 1949-1960 Deutsch (22), Latein (17), Französisch (11), Englisch (2) Mathematik (47), Physik (3), Chemie (2), Biologie (6), Geographie (7), Geschichte (1), Religion (1), Aufgabenheft (1)
Maria S. 2 1948 Deutsch (1), Physik (1)
Elke H. 10 1953-1955 Deutsch (8), Kunst (8), Sonstige (1)
Roland H. 2 1954 Deutsch (1), Kunst (1)
Gertrud H. 8 1958-1962 Deutsch (5), Sachkunde (2), Kunst (1)
Einzelhefte 11 1900-1957 Verschiedene Fächer
gesamt 307 1900-1962

Schulhefte als schul- und kulturgeschichtliche Quelle

Schulhefte sind in der deutschen Literatur zur Geschichte der Pädagogik bisher kaum berücksichtigt worden. Das mag damit zusammenhängen, dass man ihnen als Übungs- und Verbrauchsmaterial im Vergleich zu anderen Quellen nur einen geringen Aussagewert zutraut. Erst dann, wenn Sammlungen von Schulheften eine längere historische Spur verfolgen lassen oder eine systematische Untersuchung ihrer Inhalte erfolgt, gewinnt man den Eindruck, dass sie einen beachtlichen Quellenwert beanspruchen können. Eine erste Betrachtung des grössten Teils der Schulhefte der Sammlung des Saarländischen Schulmuseums soll zeigen, ob und auf welchen Ebenen das Material als historische Quelle nutzbar gemacht werden könnte.

Die äussere Form der Hefte

In einer handschriftlichen Anleitung für den Schreibunterricht von 1826 lesen wir: "Anfänger im Schreiben machen den Buchstaben entweder auf die Schultafeln oder Papier nach, welches ebenfalls wie die Tafel liniert werden muss." Daraus lässt sich schliessen, dass in den Volkschulen am Anfang des 19. Jahrhunderts Hefte nicht die Regel zu sein brauchten, sondern auch auf einzelne Papierbogen geschrieben wurde, die der Lehrer nach Bedarf mit Linien versah.

In einem Erlass reagierte die Regierung von Preussen am 29. Oktober 1851 auf die Beobachtung, dass die Deckel von Schulheften mit "revolutionären oder unsittlichen Bildern und Texten" bedruckt worden seien, mit der Anordnung, dass gegen Buchbinder, aus deren Werkstatt solche Hefte stammen, gesetzlich vorgegangen werden soll.

Wir können also dem Erlass entnehmen, dass die Herstellung und der Vertrieb von Schulheften in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht in industriellem Massstab betrieben wurde, sondern vielfach in handwerklicher Art durch den örtlichen Buchbinder erfolgte. Eine Standardisierung der äusseren Form der Hefte ist nicht anzunehmen. Der deutsche Normenausschuss nahm 1917 seine Arbeit auf; erst in den darauf folgenden Jahren orientierten sich die Formate der Schulhefte an den festgelegten Standards der Papierformate (DIN A).

Der preussische Erlass zeigt auch, dass trotz der handwerklichen Produktion ein gestalterischer Aufwand getrieben werden konnte, indem die Deckel der Hefte bedruckt wurden.

Mit der fortschreitenden Industrialisierung und der Verbesserung der Transportwege bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die industrielle Massenherstellung von Schulheften. Zu der Heftung des Papiers mit Heftfaden trat die Heftung mit Metallklammern. Diese Entwicklungsschritte kann man an der Sammlung des Museum ablesen. Das im Text genannte Heft von 1828 zeigt die Reste einer ausradierten Linierung mit Bleistift; die unprofessionell wirkende Fadenheftung lässt vermuten, dass sie vom Eigentümer selbst ausgeführt worden ist. Auch Schulhefte aus späterer Zeit (1872) weisen Zirkeleinstiche für den Linienabstand auf und zeigen Merkmale der Eigenproduktion. Gleichzeitig findet man Hefte mit Bilddruck auf den Deckeln, jedoch immer noch von Hand liniert.

Die ersten Hefte mit gedruckter Lineatur in der Sammlung sind erst ab 1871 zu datieren.

Informationen auf Heftdeckeln finden sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, gehen ab etwa 1900 stark zurück und sind wieder häufiger zu beobachten in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Grundfarbe der älteren bedruckten Heftdeckel variiert, meist sind nur die Aussenseiten bedruckt, die Motive sind unterschiedlich. Manche tragen in einem dekorativ gestalteten Rahmen Angaben über die Bestimmung des Heftes und eine dazu passende Vignette, z.B. eine schreibende Hand; andere zeigen kolorierte Bilder auf Vorder- und Rückendeckel, eine dritte Gruppe bietet zu den Bildern auch noch kleine Gedichte. Die Themen der gegenständlichen Bilder sind sehr verschieden. Wir sehen Kinderszenen, Tierbilder, Berufsdarstellungen, historische Persönlichkeiten, berühmte Bauwerke oder Landkarten. Einige Hefte zeigen religiöse Motive, wie "Der tröstende Engel", "Der rettende Engel", das Bild des heiligen Johannes oder einen dekorativ gestalteten Spruch. Ein Heft von 1875 trägt auf der Rückseite Tabellen mit den im deutschen Reich gültigen Massen und Gewichten. Hefte mit Eigenwerbung des Verlags finden sich ab 1900. Alle Hefte der Sammlung mit bebilderten Deckeln entstammen dem süddeutschen Raum, ob vergleichbares Material auch in anderen Regionen Deutschlands gebräuchlich war, müsste untersucht werden. (Abbildungen 1 - 2)

Ab etwa 1890 tauchen Hefte auf mit festen Deckeln und Leinenrücken, die auf dem vorderen Innendeckel einen Stundenplan eingedruckt haben. Solche Stundenpläne sind, wenn sie die Besitzer der Hefte ausgefüllt haben, Quellen für die Fächerverteilung und die Unterrichtsorganisation. Stundenpläne und Tabellen für Masse und Gewichte sind auf Heften noch bis 1955 anzutreffen.

Nach der Jahrhundertwende kommen für einige Zeit Hefte in Gebrauch, deren erstes Blatt mit einem Inhaltsverzeichnis bedruckt ist, das auch eine Spalte "Urteil des Lehrers" enthält. Manche Zeichenhefte enthalten auf dem Rückendeckel Anleitungen zu Zeichentechniken.

Allgemein können wir feststellen, dass das Bedürfnis, Schulhefte mit zusätzlichen Informationen zu versehen, nach 1910 zurückgeht und eine Vereinheitlichung eintritt. Diese Tendenz wird in der Zeit des Nationalsozialismus unterbrochen, Hefte werden nicht selten zu politischer Propaganda benutzt. Dann ist das erste und das letzte Blatt bedruckt mit Bild- und Textwerbung für nationalsozialistische Ideen und Organisationen, wie zum Beispiel "Unsere Wehrmacht" oder "Jungvolk". (Abbildung 3 - 4)

Welchen Anteil solche Hefte in jener Zeit hatten, ist kaum zu ermitteln, da nach dem 2. Weltkrieg der Besitz solchen Materials verboten war und oft vernichtet wurde.

Lineaturen

Wie oben dargestellt, sind die frühen Hefte aus unliniertem Papier, das nach Bedarf vom Schreiber mit dem Bleistift mit Linien versehen wurde. Mit der Kommerzialisierung des Heftangebots traten dann spezifische gedruckte Lineaturen auf. Schreibhefte für fortgeschrittene Schüler besitzen ein einfaches Liniensystem, die Zeilenabstände betragen meist 7, 11, und 15mm. Bei Heften ab 1900 treten rot gedruckte Randleisten auf.

Hefte für Schreibübungen der Schulanfänger und Schüler der Grundschule bieten unterschiedliche Liniensysteme an. Es gibt solche, in denen die Oberlänge, die Mittellänge und die Unterlänge der Buchstaben markiert werden, andere geben nur die Mittellänge und den Zeilenabstand an. Da bei der deutschen Currentschrift die Buchstaben immer nach rechts geneigt sein mussten, gibt es Hefte mit schrägen Hilfslinien in blassem Farbdruck. (Abb. 5) Diese tauchen um 1870 auf und sind für die Zeit nach 1900 in der Sammlung nicht mehr vertreten. Eine interessante Variante bilden Schönschreibhefte mit gedruckten Schriftmustern in der ersten Zeile. Hefte mit kariertem Papier für den Mathematikunterricht scheinen vor 1900 selten gewesen zu sein. Mathematikhefte in der Sammlung sind bis zu dieser Zeit mit leerem oder liniertem Papier überliefert.

Was das verwendete Schreibmaterial betrifft, wurde in den Heften der Sammlung generell mit Tinte geschrieben, nur ein ganz kleiner Teil zeigt Bleistiftschrift. Es sind meist Hefte, die für Entwürfe oder Notizen gebraucht wurden und überwiegend der höheren Schule zuzuordnen.

Die Inhalte der Schulhefte

Wenn man annimmt, dass sich in den Inhalten von Schulheften nur die jeweiligen bildungspolitischen und didaktischen Positionen einer Epoche spiegeln, könnte man die Schlussfolgerung ziehen, dass sie das Wissen, das auf der Grundlage von Gesetzen und pädagogischer Literatur gewonnen wurde, nur wenig erweitern und vertiefen können. Aber der Historiker weiss: Gesetze und Theorien sind das Eine, die Wirklichkeit des Alltags ist das Andere. An einigen exemplarischen Themen kann auf der Grundlage der Schulhefte im Saarländischen Schulmuseum gezeigt werden, dass das Studium der Schulhefte ein eigenes Erkenntnispotential besitzt.

- Die Pflege der Handschrift

An Briefen und anderen persönlichen Schriftstücken aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert bewundern wir oft die gute Handschrift. An der Serie der Schönschreibhefte lässt sich anschaulich nachvollziehen, auf welche Weise das Ziel einer guten Handschrift angestrebt worden ist. Die Hefte vermitteln einen Eindruck von der Quantität und der Art der Schreibübungen in der Schule.

- Der Gebrauch von Schriftarten

Die Schulhefte der Sammlung zeigen, dass die Schüler an den deutschen höheren Schulen über zwei Schriftarten verfügten, die deutsche Currentschrift und die lateinische (oder englische) Schrift. In den Heften sind deutsche Texte oder Wörter in Currentschrift, Texte in Latein, Französisch oder Englisch sowie Fremdwörter im deutschen Text in lateinischer Schrift geschrieben. (Abb. 6) Auch in Heften aus Volksschulen lässt sich erkennen, dass in der Oberstufe auch die lateinische Schrift eingeübt wurde.

Ab 1915 führten einige deutsche Länder eine von dem Grafiker L. Sütterlin aus der Currentschrift entwickelte Schrift, die Sütterlin-Schrift ein; 1941 wurde diese dann von der Deutschen Normalschrift, die aus der lateinischen Schrift entwickelt worden war, abgelöst. In den Schulheften kann man die damit verbundenen Umstellungs- und †bergangsprozesse studieren.

- Formale BildungszieleIn Schulheften 

sind in hervorragender Weise die Veränderungen formaler Bildungsziele konserviert; sie sind ablesbar an der Art der Heftführung, dem Schriftbild oder dem Bemühen um Sorgfalt und Sauberkeit.

- Korrekturen und Benotung

Ein Teil der Hefte zeigt Unterstreichungen und Einträge mit roter Tinte. Ohne Zweifel stammen diese von der Hand des Lehrers. Kaum eine andere Quelle könnte klarer Auskunft geben über die Korrektur- und Benotungspraxis in der früheren Schule.

- Produkte für das Leben

Aus dem Unterricht im Textilen Werken der Mädchen kennen wir Arbeiten, die zur Einübung einer textilen Technik und zugleich als Vorlagen für die spätere häusliche Handarbeit dienten. Das Studium alter Schreibhefte zeigt, dass es Vergleichbares auch im Schreibunterricht gegeben hat. Mehrere lithografische Vorlagenbücher mit Musterbriefen und anderen Mustertexten des täglichen Lebens aus der Zeit ab 1820 und Schreibhefte, in denen solche Texte als Schreibübungen abgeschrieben sind, befinden sich im Besitz des Museums. Auf diese Weise war die unterrichtliche †bung mit einem praktischen Nutzen verbunden.

- Bewusstseinsstand der Lehrpersonen

Es wird auch heute oft darüber geklagt, dass ein Teil der Lehrer von Angeboten zur Fortbildung keinen Gebrauch mache und deshalb bald inhaltlich wie didaktisch der Entwicklung hinterher hinke. Wie dieses Phänomen in historischer Perspektive zu sehen ist, kann mit Hilfe von Schulheften erforscht werden. Man findet beispielsweise in Heften des Museums aus der Zeit zwischen 1918 und 1933 Einträge über den Wert von Kolonialbesitz, obgleich Deutschland seine Kolonien durch den 1. Weltkrieg verloren hatte Ð Ausdruck des Weltbildes eines Lehrers, der noch im Geiste der Kaiserzeit unterrichtete.

- Verhältnis von Lehrplanthemen und Unterrichtsthemen

Lehrpläne und Schulbücher bestimmen den thematischen Rahmen des Unterrichts; der einzelne Lehrer wird allerdings eine Auswahl treffen und Akzente setzen. Am Inhalt von Schulheften kann überprüft werden, ob die Intentionen der Lehrpläne berücksichtigt, verstärkt oder abgeschwächt wurden.

- Schulhefte als lokalgeschichtliche Quelle

Schulhefte, vor allem aus ländlichen Regionen, enthalten nicht selten schriftliche Arbeiten, die sich auf konkrete lokale Ereignisse beziehen. In einem der Hefte der Sammlung aus dem Jahre 1931 berichtet die Schreiberin vom Ausbau der Provinzialstrasse durch das Dorf, mit zahlreichen Details über den Zustand der alten Strasse, den Ablauf der Arbeiten und die Erwartungen der Dorfbewohner. Recherchen vor Ort ergaben, dass bisher kein vergleichbarer Bericht über das Ereignis bekannt war und der Aufsatz der Schülerin eine Bereicherung für das Gemeindearchiv darstellt. Solche Quellen können sowohl vergessene Tatbestände wieder ins Bewusstsein bringen, als auch bekannte aus einer anderen Perspektive beleuchten.

Ergebnisse

Am Beispiel der Sammlung von Schulheften im Saarländischen Schulmuseum Ottweiler kann gezeigt werden, dass solche Hefte als historische Quellen zu nutzen sind. Nicht nur der von den Schülern hervorgebrachte Inhalt, sondern auch die äussere Form der Hefte lässt Analysen und Interpretationen mit historischem Erkenntnisinteresse zu.

Bei der Verallgemeinerung von Aussagen muss jedoch berücksichtigt werden, dass erhaltene Heftsammlungen nicht repräsentativ sind, da sie in der Regel aus Familien stammen mit einer positiven Einstellung zur Schule und einem Bewusstsein für Tradition. Die Hefte des Saarländischen Schulmuseums zeigen Merkmale, die darauf schliessen lassen, dass sie von überdurchschnittlichen Schülern geschrieben sind.

Das Studium von Schulheften kann in unterschiedlichen historischen Gebieten das auf anderen Quellen beruhende Wissen vertiefen, differenzieren und erweitern.

Als historische Quelle mit eigenständiger Bedeutung sollten Schulhefte systematisch in geeigneten Institutionen gesammelt und der Forschung zugänglich gemacht werden.

Anmerkungen

1. Chr. H. Zeller, Lehren der Erfahrung für christliche Land- und Armenschullehrer. Basel 1827, 2. Bd . S. 143
2. F. Polack, Brosamen. Erinnerungen aus dem Leben eines Schulmannes, 1. Bd. 3. Aufl. Wittenberg 1885, S. 89
3. Cahier Methode. Schulheft eines Seminaristen, 1826, Saarl. Schulmuseum
4. Anton Hansen, Gesetze und Verordnungen über das vaterländische Elementarschulwesen, Saarlouis 1853, S. 130
5. Four French notebooks in the museum’s collection from 1880/90 with pictures on the covers show that similar developments were present in France.