Karikatur wird auf das italienische Wort „caricare“ zurückgeführt, das man mit „beladen, befrachten“ übersetzen kann. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich daraus in Italien der künstlerische Fachausdruck „caricatura“, mit dem man komisch verzerrte Darstellungen kennzeichnete. Schon im 19. Jahrhundert bürgerte sich dann auch in Deutschland die Bezeichnung Karikaturenzeichner und später Karikaturist ein für Künstler, die sich vor allem der Gestaltung von Spott- und
kritischen Zerrbildern widmeten. Karikaturartige Bilder findet man schon in der Antike und im Mittelalter. Mit der Erfindung des Holzschnitts im 15. Jahrhundert erhält die Gattung einen neuen Anstoß. Durch die Gründung von Zeitschriften im 19. Jahrhundert, die sich ihr ausschließlich widmeten – in Frankreich Charivari“ 1832, in England „Punch“ 1841, in Deutschland „Fliegende Blätter“ 1844 fanden Karikaturen Verbreitung in weite Kreise der bürgerlichen Gesellschaft.
Eine eindeutige Definition des Karikaturbegriffs lässt sich nicht finden; zwischen inhaltlich offenen und eng gefassten Bedeutungen gibt es viele Varianten. Georg Hermann beispielsweise fasst alles darunter, was „unsere Heiterkeit, unsere lachende Anteilnahme, unseren bitteren Spott, unsere Verachtung zu erregen“ vermag. 1) Andere Autoren lassen die Bezeichnung „Karikatur“ nur gelten für Darstellungen mit eindeutig satirisch, agitatorischer Absicht und grenzen davon den lediglich erheiternden Bilderwitz oder den Cartoon ab. 2) Beide Varianten sind zum Thema Schule vor allem seit dem 19. Jahrhundert reich vertreten.
Karikaturen besitzen bestimmte gestalterische Merkmale, mit denen sie sich als Bildtyp recht schnell zu erkennen geben. Ein Stilmittel ist die Verformung, bei der durch Vergrößerung oder Verkleinerung von Details durch formale Übertreibung von Proportionen eine spezielle Charakterisierung von Personen und Dingen angestrebt wird. Auf älteren Karikaturen zum Thema „Schule und Kirche“ stehen die Pfarrer als Schulinspektoren besonders dick und feist ausgesprochen dünn und ausgemergelt dargestellten Dorfschullehrern gegenüber. Ein anderes Merkmal ist die Typisierung. Der deutsche Student in Wichs und mit Mensurschmiss ist auf Karikaturen bis ins 20. Jahrhundert sofort als Vertreter seiner gesellschaftlichen Gruppe zu erkennen. besonders dick und feist ausgesprochen dünn und ausgemergelt dargestellten Dorfschullehrern gegenüber. Ein anderes Merkmal ist die Typisierung. Der deutsche Student in Wichs und mit Mensurschmiss ist auf Karikaturen bis ins 20. Jahrhundert sofort als Vertreter seiner gesellschaftlichen Gruppe zu erkennen. Der Karikaturist arbeitet auch mit Symbolen und Attributen; so ist seit der Antike der Esel ein Symbol der Dummheit, das auch in der Schulpraxis selbst in Gestalt der Eselsmütze, des Strafesels oder des umgehängten Eselsschildes über Jahrhunderte in Anwendung gekommen ist. Das Attribut der Rute in der Hand des Lehrers ist Kennzeichen seiner Autorität und Strafgewalt; eine Landkarte an der Wand weist einen Raum als Klassenzimmer aus, und das schwarze Scheitelkäppchen, wie
es auch Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel trägt, unterscheidet den Dorfschulmeister vom Gymnasiallehrer.
In Karikaturen des 19. Jahrhunderts tritt auch die historische Übertragung auf: um eine Situation als besonders rückständig erscheinen zu lassen, wird mit Motiven aus der Vergangenheit gearbeitet.
Wir sind gewohnt, Karikaturen häufig in Verbindung mit einem Text anzutreffen; dabei ist die Wechselbeziehung dieser beiden Elemente sehr vielfältig.
In einer Reihe von Karikaturen ist der Text ein redaktionelles Zugeständnis an das Publikum und leistet kaum einen Beitrag zur Aussage. Bei Karikaturen, die sich auf ein aktuelles Ereignis beziehen, wird oft erst durch den Text der reale Hintergrund erhellt, dort ist er eine Voraussetzung für das Verständnis. Es gibt auch Beispiele, in denen Textaussage und Bildaussage sich widersprechen, woraus dann erst die Satire entsteht. Häufig ist der Text auf einen knappen Bildtitel reduziert, der aber schlaglichtartig das Gemeinte pointiert. Nicht die schlechtesten Karikaturen sind die, die ohne Text
auskommen.
Auf einem Terrakottarelief aus Italien, das ca. 150 v. Chr.entstanden ist, sitzt ein Esel in zeittypischer Kleidung auf dem Lehrstuhl, umgeben von Schülern, die als Affen dargestellt sind. Es handelt sich um ein sehr frühes Beispiel dafür, dass das Thema „Schule“ künstlerisch dem Spott preisgegeben wird. Die mittelalterliche Bildwelt ist fast ausschließlich in einem religiösen Kontext angesiedelt, im offiziellen kirchlichen Darstellungsraum war für Schulspott wenig Platz. Erst in der Renaissance macht sich kritischer Geist verstärkt in Bildern Luft. Zu ihrer Verbreitung trägt der Holzschnitt bei, der sich ab 1400 auszubreiten beginnt.
Die erhaltenen Beispiele aus dieser Zeit nehmen vor allem die Lehrer und die Schüler aufs Korn. Aus dem 17. Jahrhundert ist eine Reihe von Ölbildern niederländischer Maler wie Adrian Brouwer oder Jan Steen erhalten, die deutlich Karikaturhafte Züge tragen und beim Betrachter nicht nur Spaß
an der skurrilen Situation, sondern auch ein Nachdenken über die unmöglichen Zustände im Klassenraum wecken wollen. Die Durchsetzung der Schulpflicht ab dem 18. Jahrhundert lässt die Schule, die bis dahin nur einen kleinen Teil der Bevölkerung betraf, zu einem Gegenstand des allgemeinen Interesses werden.
Die Ausdifferenzierung des deutschen Schulwesens in den folgenden Jahrzehnten hielt das Thema aktuell. Diese Entwicklung schaffte zugleich mit der Alphabetisierung aller Schichten die Voraussetzung zu einer enormen Expansion des Pressewesens. Die Erfindung der Lithografie um 1800 und des
Holzstichs erweiterte die Möglichkeiten des Massendrucks von Bildern. Das waren wesentliche Voraussetzungen dafür, dass im 19. Jahrhundert die Anzahl der Karikaturen zum Thema Schule riesig anwuchs. In der Freiburger Dissertation von Günter Ganz „Die Schule im Spiegel der Karikatur Deutscher Karikaturenzeitschriften 1844 – 1914“, Hamburg 1993, werden annähernd 1200 Beispiele aus den 22 wichtigsten Zeitschriften aufgelistet. Das inhaltliche Spektrum war recht breit gestreut. Eigenarten der verschiedenen Lehrer, die Lehrerin oder das Verhalten von Schülern sowie humorvolle Antworten kommen
ebenso zur Darstellung wie schulpolitische Fragen. Häufige Themen waren „Schulstrafen“, "Visitation durch den Pfarrer bzw. den amtlichen Schulinspektor",
Schon das älteste hier genannte Beispiel verlegt das Geschehen in die Tierwelt: der Lehrer ein Esel, seine Schüler eine Horde Affen. Wie in der Fabel hat sich eine Tradition der Zuschreibung bestimmter Eigenschaften herausgebildet, die es erlaubt, Personen zu charakterisieren allein dadurch, dass sie als ein
bestimmtes Tier auftreten. Im o. g. Beispiel wird der Lehrer durch den Eselsmetapher der Gruppe der dummen, bornierten Lehrer zugeordnet. Affen galten als frech und tückisch; allein durch diese Tierchronik kommt in dem Relief ein tiefer Zweifel am Erfolg einer solchen Schule zum Ausdruck. Wenn ein Fuchs eine Gruppe von Gänsen unterrichtet, ein Wolf in der Mönchskutte Schafen das ABC beizubringen versucht oder Schüler als Papageien dargestellt werden, erhält die Satire einen weiteren Sinn.
Der bedeutendste Vertreter der Mensch-Tier-Travestie ist Grandville, der in seinen „Bildern aus dem Staats- und Familienleben der Tiere“ fast alle gesellschaftlichen Bereiche Frankreichs der Zeit nach 1829 in ein großes zoologisches Ensemble verwandelte; in dem auch das Thema Erziehung und Bildung nicht fehlte. Auch in Schulkarikaturen unserer Zeit sind Tiere als Stellvertreter für Personen bei einigen Karikaturisten beliebt.
Schulpolitische Themen, die auf ein breites öffentliches Interesse provozieren, finden praktisch in allen regionalen und überregionalen Tages- und Wochenzeitungen ihr karikaturistisches Echo. Die Reduzierung der Gymnasialzeit von 9 auf 8 Jahre, der hohe Anteil von Schülern aus Einwandererfamilien ohne Schulabschluss, die schulorganisatorischen Folgen der demografischen Entwicklung oder die Diskussionen um die Ganztagsschulen sind auch Gegenstand parteipolitischer Debatten und damit noch öffentlichkeitswirksamer. Der überwiegende Teil der schulbezogenen Karikaturen hat seinen Standort in den
Publikationsorganen der einschlägigen Berufsverbände wie Lehrergewerkschaft oder Philologenverband. Dort werden auch Themen glossiert, die besondere Informationen oder eine spezielle Interessenlage voraussetzen. Die meisten Beispiele der Ausstellung sind vor etwa 30 Jahren veröffentlicht worden. Der Zeitabstand ist so, dass die Inhalte ohne besondere historische Erläuterungen von heutigen Zeitgenossen verstanden werden. Außerdem lässt sich feststellen, welche Schulprobleme inzwischen gelöst und überholt sind, welche immer noch die Gemüter bewegen und welche neu auf den Plan getreten sind.
Eine besondere Spielart der Karikatur, die Personenkarikatur, wird in der Ausstellungrepräsentiert durch Schülerarbeiten einer Klasse einesSaarbrücker Gymnasiums, in denen die Lehrer mit ihren Eigenheiten in karikaturistischer Manier gestaltet wurden.
1) Georg Hermann, Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert, Bielefeld und Leipzig 1901, S. 1
2) Michael Melot, Die Karikatur. Das komische in der Kunst Fribourg 1975, S. 34
Webumsetzung vom Originalhttp://www.schulmuseum-ottweiler.net/mason/site/pdf/DieSchuleInDerKarikatur.pdf